Fotografie Technik November 6, 2025

Was ist die 500-Regel in der Fotografie?

Melina Fassbinder 0 Kommentare

Stell dir vor, du stehst mitten in der Nacht auf einem Berggipfel, der Himmel ist klar, die Milchstraße leuchtet über dir wie ein fließender Strom aus Licht. Du rüstest deine Kamera aus, stellst sie auf ein Stativ, öffnest den Verschluss - und was passiert? Die Sterne verwischen zu Strichen. Kein Wunder: Die Erde dreht sich. Und wenn deine Belichtungszeit zu lang ist, zeichnen die Sterne Kreise auf deinem Sensor. Die 500-Regel ist die einfachste Methode, um das zu verhindern.

Wie funktioniert die 500-Regel?

Die 500-Regel hilft dir, die längste Belichtungszeit zu berechnen, bei der Sterne noch als Punkte erscheinen - nicht als Streifen. Die Formel ist simpel: Teile 500 durch die Brennweite deines Objektivs. Das Ergebnis ist die maximale Belichtungszeit in Sekunden.

Beispiel: Du verwendest ein 20-mm-Weitwinkelobjektiv. 500 geteilt durch 20 ergibt 25. Das bedeutet: Du kannst bis zu 25 Sekunden belichten, ohne dass die Sterne verwischen. Bei 14 mm sind das fast 36 Sekunden. Bei 50 mm nur noch 10 Sekunden - und das ist schon knapp.

Diese Regel funktioniert besonders gut mit Vollformat-Kameras. Wenn du eine Crop-Sensor-Kamera verwendest (z. B. APS-C), musst du die Brennweite erst auf den Vollformat-Äquivalent umrechnen. Multipliziere die tatsächliche Brennweite mit dem Crop-Faktor. Ein 20-mm-Objektiv auf APS-C hat einen Äquivalentwert von etwa 30 mm (20 × 1,5). Also: 500 ÷ 30 = 16,6 Sekunden. Jetzt weißt du, dass du nicht länger als 16 Sekunden belichten solltest.

Warum genau 500?

Die Zahl 500 kommt nicht aus dem Himmel. Sie basiert auf der durchschnittlichen Drehgeschwindigkeit der Erde und der Auflösung von Vollformat-Sensoren. Ein Stern bewegt sich über den Himmel mit etwa 15 Bogenminuten pro Sekunde. Bei einer Vollformat-Kamera mit 24 Megapixeln und einer typischen Bildschirmgröße ergibt das bei 500 ÷ Brennweite eine Belichtungszeit, bei der die Sterne noch als scharfe Punkte erscheinen - zumindest auf kleinen Bildschirmen oder bei normaler Vergrößerung.

Doch Vorsicht: Die 500-Regel ist eine Faustregel. Sie ist kein Gesetz. Wenn du deine Fotos auf einem 4K-Monitor vergrößerst, oder sie in großen Ausdrucken zeigst, wirst du schon bei 20 Sekunden leichte Streifen erkennen. Viele Profis verwenden heute lieber die 400-Regel oder sogar die 300-Regel für perfekt scharfe Sterne - besonders bei modernen Kameras mit hoher Auflösung.

Was ist der Unterschied zwischen 500, 400 und 300?

Die Wahl der Regel hängt von deinen Zielen ab. Hier ein Vergleich:

Vergleich der Regeln für eine 20-mm-Brennweite auf Vollformat
Regel Max. Belichtungszeit Verwendung
500-Regel 25 Sekunden For Anfänger, schnelle Aufnahmen, soziale Medien
400-Regel 20 Sekunden Standard für scharfe Sterne, gute Kompromiss
300-Regel 15 Sekunden Professionelle Astrofotografie, große Ausdrucke

Wenn du deine Fotos für Instagram oder Facebook postest, reicht die 500-Regel. Wenn du sie in einer Galerie hängen willst, geh lieber auf 300. Die 400-Regel ist der Goldstandard für die meisten Hobbyfotografen - sie bietet Sicherheit ohne zu viel Licht zu opfern.

Fotograf prüft Bild auf Tablet, Sternenstreifen vs. scharfe Sterne, Formel sichtbar.

Praktische Tipps für die Anwendung

Die Regel ist einfach - aber die Umsetzung erfordert Aufmerksamkeit.

  • Verwende immer ein Stativ. Handheld ist bei diesen Belichtungszeiten unmöglich.
  • Auf die Blende achten: Öffne sie so weit wie möglich (f/2.8 oder weiter), um Licht zu sammeln - aber nicht zu weit, sonst wird die Bildqualität weich.
  • Fokussiere manuell auf einen hellen Stern oder das Unendliche. Autofokus funktioniert in der Nacht oft nicht.
  • Aktiviere den Spiegelvorausauslöser oder nutze den elektronischen Verschluss, wenn deine Kamera ihn hat. Vibrationen verwischen sonst die Sterne.
  • Verwende eine Fernauslösung oder den Selbstauslöser mit 2-Sekunden-Verzögerung. Selbst das Drücken des Auslösers kann Bewegung verursachen.

Ein häufiger Fehler: Fotografen belichten 25 Sekunden, sind zufrieden - und dann vergrößern ihr Bild auf dem Computer und sehen: Die Sterne sind keine Punkte mehr, sondern kleine Linien. Das liegt nicht an der Kamera, sondern daran, dass die 500-Regel nicht für jede Verwendung reicht.

Was ist mit Ultra-Weitwinkelobjektiven?

Wenn du ein 10-mm-Objektiv verwendest, ergibt die 500-Regel 50 Sekunden. Klingt toll - aber hier wird’s knifflig. Bei solch langen Belichtungszeiten beginnt die Luftdämpfung, die Lichtverschmutzung und sogar die Eigenwärme des Sensors die Aufnahme zu beeinflussen. Die Sterne werden nicht nur unscharf - sie werden auch schwächer, weil das Hintergrundlicht überwiegt.

In der Praxis: Selbst bei 10 mm ist eine Belichtungszeit von 20-30 Sekunden oft besser. Du kannst später mit mehreren Aufnahmen und Stack-Software wie Sequator oder DeepSkyStacker die Helligkeit und Details verbessern - ohne dass die Sterne verschwimmen. Das ist der moderne Weg: weniger pro Bild, mehr Bilder, besserer Endeffekt.

Drei konzentrische Sternenkreise für 500-, 400- und 300-Regel mit zunehmender Unschärfe.

Die 500-Regel ist nur der Anfang

Die 500-Regel ist ein guter Startpunkt - aber sie ist kein Endpunkt. Sie ist wie ein Kompass: Sie zeigt dir die Richtung, aber du musst selbst den Weg finden. Viele Fotografen, die mit ihr beginnen, lernen schnell, dass sie nicht perfekt ist. Sie ist ein Werkzeug - kein Gesetz.

Wenn du wirklich scharfe Sterne willst, probiere die 400-Regel aus. Wenn du dich in die Astrofotografie vertiefen willst, lerne, mit Long Exposure Noise Reduction, Dark Frames und Stackings zu arbeiten. Die 500-Regel ist der erste Schritt - nicht das Ziel.

Wann funktioniert sie nicht?

Die 500-Regel ist nur für Sterne am Himmel - nicht für die Milchstraße, die sich bewegt, oder für die Mondphasen. Sie funktioniert nicht bei Aufnahmen mit Lichtern in der Landschaft (z. B. Städte oder Feuer), weil die Belichtungszeit dann von anderen Faktoren bestimmt wird. Sie ist auch nutzlos, wenn du mit einem Teleobjektiv (über 100 mm) fotografierst - da brauchst du andere Methoden wie Nachführungen oder Tracker.

Und sie funktioniert nicht, wenn du dich auf eine Kamera verlässt, die keine manuelle Fokussierung zulässt, oder wenn du in der Stadt bist. In stark beleuchteten Gebieten brauchst du keine 500-Regel - du brauchst eine Dunkelheit.

Was kommt als Nächstes?

Nachdem du die 500-Regel verstanden hast, wirst du merken: Es geht nicht nur um die Belichtungszeit. Es geht um die Qualität des Lichts, die Position der Milchstraße, die Mondphase, die Luftreinheit und die Vorbereitung. Die 500-Regel ist ein Werkzeug - aber die echte Kunst liegt darin, den Himmel zu lesen.

Gehe raus. Stelle deine Kamera auf. Belichte 20 Sekunden. Schau dir das Ergebnis an. Vergrößere es. Frage dich: Sind die Sterne Punkte? Oder Linien? Dann passe an. Probiere 15 Sekunden. Oder 25. Lerne aus jedem Bild. Das ist Fotografie - nicht Mathematik.

Ist die 500-Regel noch aktuell im Jahr 2025?

Ja, die 500-Regel ist immer noch nützlich - besonders für Anfänger. Aber mit modernen Kameras mit hohen Auflösungen (45+ Megapixel) wird sie oft zu optimistisch. Viele Profis nutzen heute die 400- oder sogar 300-Regel, um perfekt scharfe Sterne zu bekommen. Die 500-Regel ist ein guter Ausgangspunkt, aber kein Endziel.

Warum verschwimmen Sterne trotz der 500-Regel?

Weil die Regel auf Durchschnittswerten basiert und nicht auf perfekter Schärfe. Moderne Kameras zeigen Details, die frühere Modelle nicht konnten. Wenn du deine Fotos auf einem großen Monitor vergrößerst, wirst du schon bei 20 Sekunden leichte Streifen erkennen. Auch eine ungenaue Fokussierung oder Kameravibrationen können das Ergebnis beeinflussen.

Gilt die 500-Regel auch für Crop-Sensoren?

Ja, aber du musst die Brennweite zuerst auf den Vollformat-Äquivalent umrechnen. Multipliziere die tatsächliche Brennweite mit dem Crop-Faktor (1,5 für APS-C, 2 für Micro Four Thirds). Dann teile 500 durch diesen Wert. Beispiel: 18 mm auf APS-C = 27 mm Äquivalent → 500 ÷ 27 ≈ 18 Sekunden.

Kann ich die 500-Regel mit einem Teleobjektiv verwenden?

Technisch ja, aber praktisch nein. Bei 200 mm ergibt die Regel nur 2,5 Sekunden - zu wenig Licht für sichtbare Sterne. Mit Teleobjektiven brauchst du einen Sternentracker oder eine Nachführung, um längere Belichtungszeiten zu ermöglichen. Die 500-Regel ist für Weitwinkel geeignet.

Was ist besser: Die 500-Regel oder Stacken von Bildern?

Beide Methoden haben ihre Stärken. Die 500-Regel ist schnell und einfach - ideal für Einzelaufnahmen. Stacken (mehrere kurze Belichtungen zusammenrechnen) ergibt mehr Details, weniger Rauschen und perfekte Sterne - aber es braucht mehr Zeit, Software und Speicherplatz. Profis nutzen oft beides: kurze Belichtungen mit Stacken, um die beste Qualität zu erreichen.

Wenn du die 500-Regel verstanden hast, bist du nicht fertig - du bist erst angefangen. Die Nacht hat noch viel mehr zu zeigen. Gehe raus. Mach Fotos. Lerne aus jedem Bild. Der Himmel wartet nicht - aber du kannst ihn erfassen.