Karriere Dezember 25, 2025

Ist Fotografie eine gute Karriere?

Melina Fassbinder 0 Kommentare

Stell dir vor, du stehst morgens auf, packst deine Kamera ein und gehst raus - nicht zur Arbeit, sondern in dein Element. Du fotografierst Sonnenaufgänge in den Bergen, Porträts von Menschen, die du gerade kennengelernt hast, oder Produkte für lokale Unternehmen. Klingt wie ein Traum? Vielleicht. Aber ist Fotografie eine realistische Karriere? Die Antwort ist nicht einfach ja oder nein. Es hängt davon ab, was du willst, wie hart du arbeitest und wie du dich anpasst.

Du musst mehr sein als nur jemand, der gut fotografiert

Die meisten Menschen denken, Fotografie ist ein Beruf, bei dem du nur die Auslöser drückst. Tatsächlich ist es ein Business - mit Buchhaltung, Verträgen, Marketing, Kundenservice und ständigem Lernen.
Du kannst die beste Kamera der Welt haben, aber wenn du keine Ahnung hast, wie du Kunden gewinnst, Rechnungen stellst oder deine Bilder online verkaufst, wirst du bald aufgeben. Fotografie ist kein Beruf für Leute, die nur kreativ sein wollen. Es ist ein Beruf für Leute, die kreativ und geschäftstüchtig sein wollen.

Ein typischer Fotograf in der Schweiz verbringt durchschnittlich 60 % seiner Zeit mit Dingen, die nichts mit Fotografieren zu tun haben: E-Mails beantworten, Kunden beraten, Fotos bearbeiten, Steuern berechnen, Social Media posten, Website aktualisieren. Nur 40 % der Zeit ist wirklich mit Kamera in der Hand. Wenn du das nicht akzeptierst, wirst du enttäuscht.

Wie viel verdient man wirklich als Fotograf?

Die Zahlen sind nicht glamourös. Laut einer Umfrage des Schweizerischen Fotografenverbands aus dem Jahr 2024 verdienen 62 % der selbstständigen Fotografen zwischen 40.000 und 70.000 CHF pro Jahr - nach Abzug aller Kosten. Das klingt nach viel, bis du weißt, dass viele davon 50-60 Stunden pro Woche arbeiten und keine Krankenversicherung oder Pension vom Arbeitgeber bekommen.

Die Top 15 % verdienen über 100.000 CHF, aber die meisten davon arbeiten in Nischen wie Hochzeitsfotografie, Werbefotografie für große Marken oder als Bildagentur-Fotografen mit langfristigen Verträgen. Der Rest kämpft mit niedrigen Preisen, Konkurrenz aus dem Ausland und Kunden, die denken, ein Smartphone reicht aus.

Ein Beispiel: Ein Hochzeitsfotograf in Zürich nimmt durchschnittlich 3.500 CHF für einen Tag. Aber er braucht 2-3 Tage für die Vorbereitung, 8-10 Stunden am Tag der Hochzeit, und mindestens 30 Stunden für die Bearbeitung. Das sind 40-50 Stunden Arbeit für 3.500 CHF - weniger als 100 CHF pro Stunde. Wenn du keine andere Einkommensquelle hast, wirst du schnell erschöpft sein.

Welche Nischen funktionieren heute?

Nicht alle Fotografie-Bereiche sind gleich. Einige sind überlaufen, andere wachsen. Hier sind die realistischen Chancen im Jahr 2025:

  • Hochzeitsfotografie: Noch immer eine der stabilsten Einkommensquellen, aber die Konkurrenz ist riesig. Wer erfolgreich ist, hat einen klaren Stil, starke Online-Präsenz und gute Referenzen.
  • Produktfotografie für E-Commerce: Mit dem Boom von Online-Shops steigt die Nachfrage. Du fotografierst Uhren, Möbel, Schmuck - meist im Studio. Die Arbeit ist repetitiv, aber die Aufträge kommen regelmäßig.
  • Architektur- und Interieur-Fotografie: Für Immobilienmakler, Designbüros und Hotels. Die Bezahlung ist gut, die Projekte sind langfristig, und du arbeitest oft mit Profis zusammen.
  • Dokumentarische Fotografie: Für NGOs, Zeitungen, kulturelle Institutionen. Die Bezahlung ist niedrig, aber du baust einen Namen auf und kannst später mit Ausstellungen oder Büchern Geld verdienen.
  • AI-gestützte Bildproduktion: Viele Unternehmen nutzen jetzt KI-Bilder. Aber wer mit echten Fotos punktet, ist gefragt - besonders wenn es um Authentizität geht. Menschen wollen echte Gesichter, echte Emotionen.

Die Nischen, die du vermeiden solltest: Alltagsfotografie (z. B. Familienporträts in Parks) - das ist überflutet mit Amateuren und KI-Tools. Du kannst nicht mit 20 CHF pro Stunde gegen eine App antreten.

Fotograf bearbeitet Fotos im Studio, umgeben von Lichtgeräten und E-Mails auf dem Bildschirm.

Wie startest du als Fotograf?

Ein Foto-Student aus Bern erzählte mir: „Ich habe drei Jahre studiert, dann meine Kamera verkauft - weil ich keine Aufträge bekam.“ Das ist kein Einzelfall. Der Weg ist nicht: „Kamera kaufen → Fotos machen → Geld verdienen.“ Der Weg ist:

  1. Finde deine Nische: Was kannst du einzigartig gut? Porträts? Interieurs? Food? Werde spezifisch - nicht allgemein.
  2. Bau ein Portfolio auf, das Kunden brauchen: Nicht deine schönsten Bilder - sondern die, die deine Zielkunden kaufen würden. Wenn du Hochzeiten fotografieren willst, zeige keine Landschaften.
  3. Starte mit kleinen Kunden: Freunde, lokale Geschäfte, kleine Events. Biete günstige Pakete an - aber nicht umsonst. Jeder Auftrag zählt, um Erfahrung und Referenzen zu sammeln.
  4. Erstelle eine einfache Website: Kein teures Design. Nur: Wer bist du? Was machst du? Wie kontaktierst du mich? Und 10 starke Bilder.
  5. Verkaufe nicht deine Kamera - verkaufe dein Ergebnis: Kunden kaufen nicht „ein Foto“. Sie kaufen Erinnerungen, Professionalität, Vertrauen.

Was passiert, wenn KI immer besser wird?

Ja, KI kann heute Bilder erzeugen, die fast menschlich wirken. Aber das ist kein Todesstoß für Fotografen - es ist eine Umstellung.

Unternehmen nutzen KI-Bilder für Werbung, weil sie billig und schnell sind. Aber wenn sie echte Emotionen brauchen - eine Mutter, die ihr Kind zum ersten Mal in den Armen hält, ein Handwerker, der stolz auf sein Werk blickt - dann greifen sie wieder zu echten Fotografen.

Die Zukunft gehört nicht den Leuten, die die beste Kamera haben. Die Zukunft gehört den Leuten, die verstehen, wie man echte Geschichten erzählt. Wer KI als Werkzeug nutzt - zum Beispiel, um Hintergründe zu verändern oder Bilder zu retuschieren - hat einen Vorteil. Wer sie als Ersatz für Kreativität sieht, wird verschwinden.

Fotograf hält traditionelle Kamera und KI-Bild neben einander, zwischen echten und digitalen Emotionen.

Wie weißt du, ob du es schaffst?

Frage dich:

  • Kannst du monatelang ohne feste Einkünfte arbeiten?
  • Magst du es, dich selbst zu vermarkten?
  • Verträgst du Kritik, wenn Kunden sagen: „Das ist nicht, was ich mir vorgestellt habe“?
  • Willst du wirklich jeden Tag arbeiten - auch an Feiertagen?
  • Kannst du dich kontinuierlich weiterbilden - neue Software, neue Trends, neue Techniken?

Wenn du mindestens drei von diesen Fragen mit „Ja“ beantwortest, hast du eine Chance. Wenn du nur mit „Ich liebe Fotografie“ antwortest, wirst du bald enttäuscht sein.

Was ist die Realität?

Fotografie ist keine Karriere für die meisten. Sie ist eine Karriere für die, die bereit sind, mehr zu sein als Fotograf. Du musst Künstler, Unternehmer, Verkäufer, Techniker und Psychologe sein - alles in einem.

Es gibt Menschen, die in diesem Beruf glücklich sind. Sie haben ihre Nische gefunden, ihre Preise durchgesetzt, ihre Kunden verstanden und ihre Arbeit als Lebensstil akzeptiert - nicht als Traum, sondern als Job.

Wenn du bereit bist, hart zu arbeiten, dich anzupassen und nicht nur nach dem nächsten Foto zu suchen, sondern nach dem nächsten Auftrag - dann ist Fotografie eine gute Karriere. Wenn du nur hoffst, dass die Welt dich entdeckt, wirst du enttäuscht.

Die Kamera ist nur ein Werkzeug. Der Beruf ist, Menschen zu verstehen - und ihnen etwas zu geben, das sie nicht mit einem Smartphone bekommen können.

Ist Fotografie ein Beruf mit Zukunft?

Ja - aber nur für Fotografen, die sich anpassen. Die Nachfrage nach echten, emotionalen Bildern wächst, während KI-Bilder für Standardanwendungen immer häufiger werden. Wer sich auf Authentizität, Storytelling und Spezialisierung konzentriert, hat gute Chancen. Wer nur technisch gut ist, wird zurückgelassen.

Wie viel kostet es, als Fotograf zu starten?

Mit 3.000-5.000 CHF kannst du starten: Eine gute Kamera (z. B. Sony A7 IV oder Canon R6 II), zwei Objektive, ein Stativ, eine externe Festplatte und eine einfache Website. Der größte Kostenfaktor ist nicht die Ausrüstung - sondern die Zeit, die du investieren musst, um Kunden zu finden und deine Fähigkeiten zu verbessern.

Braucht man ein Studium, um Fotograf zu werden?

Nein. Viele erfolgreiche Fotografen haben kein Studium absolviert. Was zählt, ist ein starkes Portfolio, Erfahrung und Kundenreferenzen. Ein Studium kann helfen, Netzwerke aufzubauen und theoretische Grundlagen zu lernen - aber es garantiert keinen Job.

Wie finde ich Kunden, wenn ich neu bin?

Beginne lokal: Sprich mit kleinen Geschäften, Cafés, Boutiquen - biete an, kostenlose Fotos für ihre Social-Media-Kanäle zu machen. Nutze Instagram und Pinterest, um dein Portfolio zu zeigen. Schreibe persönliche Nachrichten - kein Massen-Posting. Die ersten 10 Kunden sind der Schlüssel - sie bringen dir die nächsten.

Kann man als Fotograf nebenbei Geld verdienen?

Ja - aber nur, wenn du dich nicht auf „nebenbei“ verlässt. Viele Fotografen starten mit einem anderen Job und bauen die Fotografie langsam auf. Aber wenn du nur nebenbei arbeitest, wirst du nie die Qualität oder Konsistenz erreichen, die Kunden erwarten. Entweder du machst es ernst - oder du lässt es bleiben.