Stell dir vor, du stehst morgens auf, packst deine Kamera ein und gehst raus - nicht zur Arbeit, sondern in dein Element. Du fotografierst Sonnenaufgänge in den Bergen, Porträts von Menschen, die du gerade kennengelernt hast, oder Produkte für lokale Unternehmen. Klingt wie ein Traum? Vielleicht. Aber ist Fotografie eine realistische Karriere? Die Antwort ist nicht einfach ja oder nein. Es hängt davon ab, was du willst, wie hart du arbeitest und wie du dich anpasst.
Die meisten Menschen denken, Fotografie ist ein Beruf, bei dem du nur die Auslöser drückst. Tatsächlich ist es ein Business - mit Buchhaltung, Verträgen, Marketing, Kundenservice und ständigem Lernen.Du kannst die beste Kamera der Welt haben, aber wenn du keine Ahnung hast, wie du Kunden gewinnst, Rechnungen stellst oder deine Bilder online verkaufst, wirst du bald aufgeben. Fotografie ist kein Beruf für Leute, die nur kreativ sein wollen. Es ist ein Beruf für Leute, die kreativ und geschäftstüchtig sein wollen.
Ein typischer Fotograf in der Schweiz verbringt durchschnittlich 60 % seiner Zeit mit Dingen, die nichts mit Fotografieren zu tun haben: E-Mails beantworten, Kunden beraten, Fotos bearbeiten, Steuern berechnen, Social Media posten, Website aktualisieren. Nur 40 % der Zeit ist wirklich mit Kamera in der Hand. Wenn du das nicht akzeptierst, wirst du enttäuscht.
Die Zahlen sind nicht glamourös. Laut einer Umfrage des Schweizerischen Fotografenverbands aus dem Jahr 2024 verdienen 62 % der selbstständigen Fotografen zwischen 40.000 und 70.000 CHF pro Jahr - nach Abzug aller Kosten. Das klingt nach viel, bis du weißt, dass viele davon 50-60 Stunden pro Woche arbeiten und keine Krankenversicherung oder Pension vom Arbeitgeber bekommen.
Die Top 15 % verdienen über 100.000 CHF, aber die meisten davon arbeiten in Nischen wie Hochzeitsfotografie, Werbefotografie für große Marken oder als Bildagentur-Fotografen mit langfristigen Verträgen. Der Rest kämpft mit niedrigen Preisen, Konkurrenz aus dem Ausland und Kunden, die denken, ein Smartphone reicht aus.
Ein Beispiel: Ein Hochzeitsfotograf in Zürich nimmt durchschnittlich 3.500 CHF für einen Tag. Aber er braucht 2-3 Tage für die Vorbereitung, 8-10 Stunden am Tag der Hochzeit, und mindestens 30 Stunden für die Bearbeitung. Das sind 40-50 Stunden Arbeit für 3.500 CHF - weniger als 100 CHF pro Stunde. Wenn du keine andere Einkommensquelle hast, wirst du schnell erschöpft sein.
Nicht alle Fotografie-Bereiche sind gleich. Einige sind überlaufen, andere wachsen. Hier sind die realistischen Chancen im Jahr 2025:
Die Nischen, die du vermeiden solltest: Alltagsfotografie (z. B. Familienporträts in Parks) - das ist überflutet mit Amateuren und KI-Tools. Du kannst nicht mit 20 CHF pro Stunde gegen eine App antreten.
Ein Foto-Student aus Bern erzählte mir: „Ich habe drei Jahre studiert, dann meine Kamera verkauft - weil ich keine Aufträge bekam.“ Das ist kein Einzelfall. Der Weg ist nicht: „Kamera kaufen → Fotos machen → Geld verdienen.“ Der Weg ist:
Ja, KI kann heute Bilder erzeugen, die fast menschlich wirken. Aber das ist kein Todesstoß für Fotografen - es ist eine Umstellung.
Unternehmen nutzen KI-Bilder für Werbung, weil sie billig und schnell sind. Aber wenn sie echte Emotionen brauchen - eine Mutter, die ihr Kind zum ersten Mal in den Armen hält, ein Handwerker, der stolz auf sein Werk blickt - dann greifen sie wieder zu echten Fotografen.
Die Zukunft gehört nicht den Leuten, die die beste Kamera haben. Die Zukunft gehört den Leuten, die verstehen, wie man echte Geschichten erzählt. Wer KI als Werkzeug nutzt - zum Beispiel, um Hintergründe zu verändern oder Bilder zu retuschieren - hat einen Vorteil. Wer sie als Ersatz für Kreativität sieht, wird verschwinden.
Frage dich:
Wenn du mindestens drei von diesen Fragen mit „Ja“ beantwortest, hast du eine Chance. Wenn du nur mit „Ich liebe Fotografie“ antwortest, wirst du bald enttäuscht sein.
Fotografie ist keine Karriere für die meisten. Sie ist eine Karriere für die, die bereit sind, mehr zu sein als Fotograf. Du musst Künstler, Unternehmer, Verkäufer, Techniker und Psychologe sein - alles in einem.
Es gibt Menschen, die in diesem Beruf glücklich sind. Sie haben ihre Nische gefunden, ihre Preise durchgesetzt, ihre Kunden verstanden und ihre Arbeit als Lebensstil akzeptiert - nicht als Traum, sondern als Job.
Wenn du bereit bist, hart zu arbeiten, dich anzupassen und nicht nur nach dem nächsten Foto zu suchen, sondern nach dem nächsten Auftrag - dann ist Fotografie eine gute Karriere. Wenn du nur hoffst, dass die Welt dich entdeckt, wirst du enttäuscht.
Die Kamera ist nur ein Werkzeug. Der Beruf ist, Menschen zu verstehen - und ihnen etwas zu geben, das sie nicht mit einem Smartphone bekommen können.
Ja - aber nur für Fotografen, die sich anpassen. Die Nachfrage nach echten, emotionalen Bildern wächst, während KI-Bilder für Standardanwendungen immer häufiger werden. Wer sich auf Authentizität, Storytelling und Spezialisierung konzentriert, hat gute Chancen. Wer nur technisch gut ist, wird zurückgelassen.
Mit 3.000-5.000 CHF kannst du starten: Eine gute Kamera (z. B. Sony A7 IV oder Canon R6 II), zwei Objektive, ein Stativ, eine externe Festplatte und eine einfache Website. Der größte Kostenfaktor ist nicht die Ausrüstung - sondern die Zeit, die du investieren musst, um Kunden zu finden und deine Fähigkeiten zu verbessern.
Nein. Viele erfolgreiche Fotografen haben kein Studium absolviert. Was zählt, ist ein starkes Portfolio, Erfahrung und Kundenreferenzen. Ein Studium kann helfen, Netzwerke aufzubauen und theoretische Grundlagen zu lernen - aber es garantiert keinen Job.
Beginne lokal: Sprich mit kleinen Geschäften, Cafés, Boutiquen - biete an, kostenlose Fotos für ihre Social-Media-Kanäle zu machen. Nutze Instagram und Pinterest, um dein Portfolio zu zeigen. Schreibe persönliche Nachrichten - kein Massen-Posting. Die ersten 10 Kunden sind der Schlüssel - sie bringen dir die nächsten.
Ja - aber nur, wenn du dich nicht auf „nebenbei“ verlässt. Viele Fotografen starten mit einem anderen Job und bauen die Fotografie langsam auf. Aber wenn du nur nebenbei arbeitest, wirst du nie die Qualität oder Konsistenz erreichen, die Kunden erwarten. Entweder du machst es ernst - oder du lässt es bleiben.