Kurze Antwort: Ja, du kannst mit Fotografie als Nebenjob Geld verdienen - aber nicht mit Zufall, sondern mit System. Ich lebe in Zürich, habe als nebenberufliche Fotografin gestartet, und mein Mann Julian hat mir anfangs die Rechnungen sortiert. Der Knackpunkt ist nicht die Kamera, sondern Fokus, Positionierung und Preise. Wenn du Klartext willst: Geld verdienen mit Fotografie funktioniert, wenn du eine marktfähige Nische wählst, sauber kalkulierst und zuverlässig lieferst.
TL;DR:
- Wähle eine Nische mit echter Nachfrage (Events, Business-Portraits, Immobilien, kleine E-Commerce-Produktfotos, Social Content für lokale Betriebe).
- Realer Nebenjob-Umsatz: 500-2’500 CHF/Monat bei 4-12 Stunden/Woche, je nach Nische, Preis und Akquise.
- Preis-Quickie: Ziel-Stundenlohn × (Shoot- + Edit- + Orga-Zeit) + Lizenz + Auslagen; 30-50% Anzahlung sichern.
- Die ersten 10 Kunden kommen meist über Menschen, nicht über Hashtags: klare Angebote, lokale Google-Suche, Vereine, KMU.
- Schweiz: AHV-Anmeldung bei regelmässigem Nebenerwerb, MWST erst ab 100’000 CHF Umsatz; Nutzungsrechte vertraglich festhalten (URG).
Welche Wege lohnen sich 2025 wirklich?
Du brauchst eine Nische, die drei Dinge trifft: du kannst sie liefern, die Nachfrage ist planbar, und der Kunde sieht den Nutzen sofort. 2025 sehe ich als stabil und nebenjob-tauglich:
- Business-Portraits / LinkedIn-Headshots: Schnelle Slots (20-30 Min), klare Pakete, planbarer Kalender. Firmen zahlen, weil es sofort sichtbaren Nutzen hat.
- Events im KMU/Non-Profit-Bereich: Vereinsanlässe, interne Firmen-Events, kleine Konferenzen. Gute Mischung aus Volumen und Wiederholungskunden.
- Immobilien / Airbnb: Kurze Einsätze, Wiederholungen, klare Bildanforderungen. Zusatzeinnahmen mit Grundrissen/Video möglich.
- Produktfotos für kleine Shops: Weisse Hintergrundbilder, einfache Sets. Wiederkehrende Aufträge, wenn du Standardprozesse aufbaust.
- Social Content für lokale Betriebe: Monatliche Retainer (z. B. Bäckerei, Pilates-Studio). Fotos + kurze Clips + einfache Reels.
- Stockfotografie: Passives Einkommen möglich, aber als alleinige Säule kaum genug - eher als Resteverwertung klug.
Weniger geeignet für den Einstieg als Nebenjob:
- Hochzeiten: Hoher Druck, lange Tage, aufwändiger After-Sales. Lohnt sich erst mit Erfahrung und klaren Prozessen.
- Fashion/Editorial: Kreativ top, kommerziell unberechenbar ohne Kontakte. Als Portfolio gut, als Nebenverdienst zäh.
Praktische Auswahlhilfe:
- Du hast nur Abende frei? Headshots im Studio/Set-up zu Hause oder beim Kunden. 3-4 Slots/Abend sind realistisch.
- Du hast eher Wochenenden? Events, Immobilien (tagsüber Licht), kleine Brand-Shoots.
- Du liebst Retusche? Produktfotos und Business-Portraits mit höherem Retusche-Anteil.
- Du willst wenig Nachbearbeitung? Immobilien (mit Presets), Events (Reportage-Style), Social Content mit leichten Looks.
Realistische Erwartungen: In Zürich buche ich regelmässig 2-3 Micro-Shoots à 20 Minuten an einem Abend und erreiche so 600-900 CHF Bruttoumsatz - aber nur, weil Kalender, Buchung und Vorgaben klar sind. Ohne System frisst Orga-Zeit die Marge.
Preise, Kalkulation und Beispielrechnungen
Die grösste Falle sind zu niedrige Preise. Rechnen ist sexy, wenn es dich vor Burnout schützt. So kalkulierst du pragmatisch:
- Ziel-Stundenlohn definieren: Nebenjob-Target z. B. 50-90 CHF/h netto, je nach Nische/Erfahrung.
- Zeiten addieren: Anfahrt + Set-up + Shooting + Auswahl + Retusche + Datenlieferung + Kommunikation.
- Direkte Kosten: Studio/Miete, Parken, Assistent, Requisiten, MWST (falls pflichtig).
- Nutzungsrechte: Interne Nutzung vs. Werbung, Dauer, Kanäle, Geografie - das ist lizenzpflichtig.
- Sicherheit: 30-50% Anzahlung; klare Storno-Regeln; Puffer für Nachbesserung definieren.
Quick-Formel: Paketpreis = (Stunden gesamt × Zielrate) + Lizenz + Auslagen. Bei Retainer: monatliche Pauschale für definierte Inhalte + Minutenkonto für Extras.
Typische Zeitblöcke (Daumenregeln):
- 1h Shooting = meist 2-3h Gesamtaufwand (Anreise, Aufbau, Edit, Lieferung).
- Events: 1h vor Ort = 1-1.5h Nacharbeit.
- Produktfotos: pro Produkt 10-25 Min inkl. Retusche, wenn Set-up fix steht.
Beispielhafte Preisspannen (Zürich/Bern/Basel) - 2025 beobachtet in meinem Netzwerk:
Nische |
Typisches Paket |
Preis (CHF) |
Gesamtzeit |
Direkte Kosten |
Rechnerische Marge |
Business-Headshot |
20-30 Min, 2 bearb. Bilder, Grundlizenz (Web, PR intern) |
180-350 |
1.5-2.5 h |
0-30 (Anfahrt/Studio) |
ca. 60-75% |
KMU-Event (3h) |
Reportage, 80-150 Bilder, Web/PR intern |
650-1’200 |
6-8 h |
0-60 |
ca. 55-70% |
Immobilie (2-3 Zi.) |
20-25 Bilder, Grundriss optional |
250-450 (zzgl. 50-120 Grundriss) |
2.5-4 h |
0-30 |
ca. 60-70% |
Produktfotos (10 Stk.) |
Freisteller, einheitliches Licht, Retusche |
250-600 |
3-5 h |
10-40 |
ca. 50-65% |
Social Content Retainer |
1x/Monat 2h vor Ort + 20 Assets (Foto/Clips) |
450-1’000/Monat |
4-6 h |
0-40 |
ca. 55-70% |
Nutzungsrechte kurz und klar:
- Interne Nutzung, Website, Social organisch: meist in Paket enthalten.
- Bezahlte Ads, Out-of-Home, Print-Kampagne: Zuschläge - als Richtwert 10-30% des Paketpreises pro Kampagne/Kanal, je nach Reichweite und Dauer.
- Exklusivität: eigener Zuschlag, weil du auf andere Lizenzen verzichtest.
So stellst du Angebote auf, die akzeptiert werden:
- 1 Seite, klare Positionierung, 2-3 Pakete (S, M, L), eine Option als „meist gewählt“ markieren.
- Lieferumfang auflisten: Anzahl Bilder/Assets, Bearbeitung, Laufzeit der Lizenz, Lieferzeit (z. B. 3 Werktage), Korrekturschleife (1x inklusive).
- Storno-Regeln: bis 48h 50%, < 24h 80% (außer Krankheit/Force majeure - fair bleiben).
- Zahlung: 40% Anzahlung, Rest netto 10 Tage. Keine RAWs ohne gesonderte Vereinbarung.
Willst du in Euro anbieten (D/AT): Die Spannen sind ähnlich, oft leicht tiefer im ländlichen Raum. In Städten wie München/Wien liegen Headshots und Eventraten auf CH-Niveau, aber Materialpreise sind meist niedriger.
So startest du strukturiert: Portfolio, Workflow, Akquise
Du brauchst kein Vollformat-Monster, sondern wiederholbare Qualität und Tempo. Minimal-Setup, das mich selten im Stich lässt:
- Kamera: zuverlässiger Body mit gutem AF und ordentlichem High-ISO (APS‑C oder Vollformat - egal, wenn du Licht setzt).
- Objektive: 35mm/50mm für People, 24-70mm als Allrounder, 85mm für Headshots, 16-35mm für Immobilien.
- Licht: 1-2 Systemblitze oder ein kompakter LED, ein faltbarer Softbox/Schirm; für Produkt: Dauerlicht + Diffusor.
- Ton/Video: kleines Richtmikro fürs Hybrid-Content-Shooting.
- Workflow: zwei Karten, Tether/Check am Laptop oder iPad, sofortiges Backup (SSD).
Portfolio, das verkauft:
- Baue pro Nische 8-12 Bilder, die genau das zeigen, was du verkaufen willst. Kein Mischmasch.
- Organisiere 2-3 Test-Shoots (Verein, Freundin mit Start-up, Airbnbs gegen Bilder). Sag klar: Test-Preis/TFP, professioneller Ablauf.
- Vorher/Nachher-Frames sind Gold. Kunden lieben Vergleich.
30-Tage-Plan für die ersten Buchungen:
- Tag 1-3: Entscheide Nische, schreibe 2-3 Pakete, richte ein simples Buchungstool ein (Zeitfenster, Anzahlung, AGB/Konditionen).
- Tag 4-10: Test-Shoots, Portfolio auf eine Seite bringen (Landing-Page oder Google Business Profil mit gutem Text).
- Tag 11-20: Outreach: 20 lokale Unternehmen anrufen oder kurz persönlich vorbeigehen. Pitch: „Ich helfe [Branche] mit frischen Fotos für [konkretes Ziel], fix und bezahlbar.“
- Tag 21-30: Micro-Event planen (Mini-Headshot-Tag im Co-Working). 10 Slots, 15-20 Minuten, Online-Buchung, Paket S/M/L.
Nachrichten, die Antworten bekommen (kurz und klar):
- „Hallo [Name], ich fotografiere in Zürich Headshots, die auf LinkedIn auffallen. Ich bin nächste Woche am [Ort]. 20 Minuten, 2 bearbeitete Bilder, 220 CHF. Passt dir Do/Fr? - [Dein Name]“
- „Hoi [Studio/Bäckerei], ich biete monatliche Content-Sessions: 2h vor Ort, 20 Assets (Fotos + kurze Reels-Schnipsel), 590 CHF. Beispiele anbei. Interesse für September?“
Dein Prozess muss dich entlasten:
- Briefing-Formular: Ziel, Stil, Kanäle, Pflichtmotive, No-Gos.
- Shotlist pro Nische (Headshots: Standardpose, Quer/Hoch, 2 Licht-Set-ups; Immobilien: jede Zone, Details, Aussen, vertikal fürs Portal).
- Preset-Basislook + 1 Korrekturschleife. Lieferzeit kommunizieren.
- Backup 3‑2‑1: 3 Kopien, 2 Medien, 1 extern (Cloud oder Offsite-SSD).
Fehler, die die Marge fressen:
- Zu viele Dateien liefern. Definiere die Zahl. Biete Upsell-Pakete an (z. B. 10 zusätzliche Bilder für 120 CHF).
- Kein Licht-Backup. Ein Nothilfs-LED oder zweiter Blitz rettet Jobs.
- Keine Anzahlung. Mehr Ausfälle, mehr Bauchweh.
- Unklare Rechte. Schreib rein: Kanäle, Dauer, Ads ja/nein.
Tools, die ich wirklich nutze:
- Kalender + Buchungslink mit Zeitfenstern, Anzahlung, automatischer Rechnung.
- Dropbox/Drive/WeTransfer Pro mit benannten Ordnern. Kunden lieben Übersicht.
- Lightroom-Presets, die in 80% der Fälle passen; für die restlichen 20% gezielte Anpassung.
- CRM light: Notizen zu Kunden (Favoritenwinkel, bevorzugte Seite, Brandingfarben).
Recht, Steuern, Risiken: Schweiz/DACH kompakt
Ich bin Fotografin, kein Steuerbüro - aber hier ist, was in der Schweiz 2025 zählt. Bitte prüfe Details mit deinen Behörden.
- AHV (Schweiz): Regelmässiger Nebenerwerb? Melde dich als Selbständigerwerbende/r bei der Ausgleichskasse. Selbständige zahlen AHV/IV/EO abhängig vom Einkommen (progressiv). Quelle: SECO-Merkblätter 2025.
- MWST: Pflicht ab 100’000 CHF weltweitem Umsatz/Jahr. Drunter kannst du dich freiwillig anmelden. Quelle: ESTV MWST-Info.
- Einkommensteuer: Nebenerwerb ist steuerpflichtig; Auslagen und Abschreibungen sind abziehbar, wenn geschäftlich.
- Urheberrecht (URG): Du behältst das Urheberrecht, der Kunde erhält Nutzungsrechte. Regle Nutzungsumfang vertraglich (Kanäle, Dauer, Gebiet).
- Model-/Property-Release: Einholen, wenn Personen klar erkennbar sind oder privates Eigentum prominent gezeigt wird - besonders für Werbung.
- Verträge/AGB: Angebot + Annahme per Mail reicht meist. Besser: kurze AGB mit Storno-Regeln, Zahlung, Nutzungsrechten, Haftung.
- Versicherung: Betriebshaftpflicht (Schäden am Set), Equipmentversicherung, ggf. Rechtsschutz.
- Deutschland/Österreich kurz: Kleinunternehmerregeln (Umsatzsteuer), Künstlersozialkasse (DE) kann relevant sein; prüfe Pflichtbeiträge als selbständige/r Künstler/in.
Mini‑FAQ
- Brauche ich Vollformat? Nein. Wichtiger sind Licht, Schärfe, Farbe und Verlässlichkeit. APS‑C mit gutem Objektiv schlägt teures Vollformat ohne Licht.
- RAWs rausgeben? Nur gegen gesonderte Vereinbarung und Zuschlag. Sonst lieferst du bearbeitete JPEGs/TIFFs.
- Wie viele Bilder liefern? Definiere es. Headshot-Paket z. B. 2 Bilder inklusive, weitere à 40-70 CHF.
- Was, wenn der Kunde nicht zahlt? Anzahlung, klare Fälligkeiten. Nachfrist setzen, danach Betreibung/Inkasso als letzter Schritt.
- Reisen berechnen? Ja. Entweder km‑Pauschale oder fixe Anfahrtzonen (z. B. Stadt gratis, sonst 0.70 CHF/km oder ÖV‑Ticket).
Checklisten zum Mitnehmen
- Vor dem Shooting: Ziel/Shotlist, Akkus voll, Karten formatiert, Backup-Licht, Vertrag/Anzahlung, Anfahrt gecheckt.
- Währenddessen: Testshot prüfen (Focus/Weissabgleich), kurze Pausen für Review, Backup auf SSD in der Pause.
- Nachher: Auswahl in 24h, finale Lieferung in 3 Werktagen, Rechnung + kurzes Feedback erfragen, Nutzungsrechte dokumentieren.
Nächste Schritte / Troubleshooting
- Du bekommst keine Anfragen? Nische schärfen, Pakete vereinfachen, 20 lokale Kontakte pro Woche direkt ansprechen. Google Business Profil mit 5 echten Referenzen hochziehen.
- Preisdrücker? Antwort: „Ich kann die Leistung reduzieren, nicht die Qualität.“ Alternative Pakete anbieten, nicht Rabatte.
- Zu viel Zeit im Editing? Vor Ort sauber belichten, feste Presets, weniger Motive aufnehmen, Shotlist diszipliniert einhalten.
- Unsicherheit vor Menschen? Headshot-Flow auswendig lernen: 3 sichere Posen, 2 Licht-Set-ups, 1 Icebreaker. Übung schlägt Mutanfälle.
- Schlechte Räume/Licht? Bring dein Licht mit. 1 Blitz + Schirm, ISO 400-800, 1/160s, f/4-5.6, Weissabgleich fix, Wand als Bounce.
Zum Schluss eine ehrliche Ansage: Die meisten Nebenjob-Fotografen scheitern nicht an der Technik, sondern an Unklarheit. Entscheide dich für eine Nische, schreibe drei Pakete, sprich Menschen an, liefere pünktlich - und mach nach jedem Job eine Sache 10% besser. So wächst du nachhaltig, auch wenn du nur wenige Stunden pro Woche hast. Und wenn ich abends von einem Headshot‑Slot zurückkomme und Julian fragt, wie’s lief, ist meine Lieblingsantwort: „Kurz, klar, gebucht.“ Genau das willst du erreichen.